Im internationalen Management drohen Vertrauensfallen: Aufgrund kultureller Unterschiede bleibt man misstrauisch, Vertrauen entwickelt sich viel zu langsam oder man verliert es gar – obwohl es eigentlich keinen Grund gibt, nicht zu vertrauen.
Doch wie man solche Fallen vermeiden und die Vertrauensentwicklung fördern kann, lässt sich lernen. Dieses Buch ...
„Herr Meister (leitender Angestellter, französische Geschäftsbank) berichtet über einen französischen Kollegen, mit dem ein wichtiger Kundentermin anstand: „Wir hatten eine gemeinsame Vorgehensweise für das Meeting vereinbart. Und in diesem Meeting hält diese Person sich nicht daran! Zum eigenen Vorteil! Und zu meinem Nachteil. Und diese Person, mit der werde ich nie wieder ...“
Die War-nichts-vereinbart!-Vertrauensfalle entsteht durch einen Unterschied in der Direktheit des Kommunikationsstils. Dieser Kulturunterschied kann fälschlicherweise den Eindruck entstehen lassen, der andere habe seine Zusage nicht eingehalten – bzw. habe nicht darüber informiert, dass er eine Zusage nicht einhalten kann.
Das Erlebnis ist für Herrn Müller symptomatisch für die Zusammenarbeit mit Argentiniern. Der argentinische Geschäftspartner will offenbar den Kontakt fortsetzen und kündigt an, ihn am nächsten Tag zur Klärung des weiteren Vorgehens anzurufen. Aber dann passiert einfach gar nichts mehr. Dass sich Herr García weder am nächsten Tag noch überhaupt jemals wieder telefonisch meldet, zeigt für Herrn Müller, dass er sich nicht an das vereinbarte Vorgehen hält – ein klares negatives Vertrauenssignal: der Argentinier hat sich nicht an seine Zusage gehalten (Vertrauensfaktor: Zusagen einhalten).
Doch Herrn Müllers Reaktion geht noch einen Schritt weiter. Da er vergleichbare Situationen bereits mehrfach erlebt hat, fühlt er sich durch Herrn Garcías Verhalten getäuscht. Denn er hat den Eindruck, dass dieser bewusst nicht die Wahrheit gesagt hat. Aus Sicht von Herrn Müller ist Folgendes passiert: Herr García hat ihm am Ende ihres Gesprächs zugesichert, dass er ihn am nächsten Tag bezüglich des weiteren Vorgehens anrufen würde. Doch schon zu diesem Zeitpunkt war Herrn García völlig klar, dass er gar nicht daran denken würde, Herrn Müller anzurufen. Das sagte er allerdings nicht offen, sondern stattdessen täuschte er vor, sich auf ein Telefonat am nächsten Tag zu verständigen. Für Herrn Müller ist dies ein Signal für fehlende Vertrauenswürdigkeit – und zwar bezüglich des Vertrauensfaktors Nichts vortäuschen.
Herr Müller findet am Ende zu einer klaren Interpretation des Verhaltens seines argentinischen Geschäftspartners: Herrn Garcias Verhalten ist „respektlos“. Herr Müller hat sich viel Zeit genommen und Herrn Garcia bereits in diesem Vorgespräch umfassend beraten. Da wäre es angemessen gewesen, dass ihn Herr García wenigstens anruft, um offen abzusagen – zumal wenn er zugesagt hat, sich zu melden. Für Herrn Müller ist Herrn Garcías Verhalten also auch im Bezug auf den wichtigen Vertrauensfaktor Respekt und Interesse zeigen vertrauenskritisch.