Im internationalen Management drohen Vertrauensfallen: Aufgrund kultureller Unterschiede bleibt man misstrauisch, Vertrauen entwickelt sich viel zu langsam oder man verliert es gar – obwohl es eigentlich keinen Grund gibt, nicht zu vertrauen.
Doch wie man solche Fallen vermeiden und die Vertrauensentwicklung fördern kann, lässt sich lernen. Dieses Buch ...
„Herr Meister (leitender Angestellter, französische Geschäftsbank) berichtet über einen französischen Kollegen, mit dem ein wichtiger Kundentermin anstand: „Wir hatten eine gemeinsame Vorgehensweise für das Meeting vereinbart. Und in diesem Meeting hält diese Person sich nicht daran! Zum eigenen Vorteil! Und zu meinem Nachteil. Und diese Person, mit der werde ich nie wieder ...“
Ein wichtiges Ergebnis unserer Vertrauensstudien war die Identifikation der wichtigsten Typen kultureller Vertrauensfallen. Diese Fallen stellen sich in internationalen Managementkontexten häufig auf und sind für eine Vielzahl unterschiedlicher Kulturbeziehungen relevant.
Folgende Vertrauensfallen-Typen haben wir immer wieder in Berichten international tätiger Manager gefunden:
Die 'War-nichts-vereinbart!'-Vertrauensfalle entsteht durch einen Unterschied in der Direktheit des Kommunikationsstils.
Vertrauensfaktor: 'Zusagen einzuhalten' ist einer der zentralen Vertrauensfaktoren. Er wird von Managern kulturübergreifend mit am häufigsten angeführt, um Vertrauen - oder auch fehlendes Vertrauen - zu rechtfertigen.
Kulturunterschied: In einer 'direkten Kultur' geht man davon aus, dass Zusagen oder Absagen explizit formuliert werden: Man sagt offen, dass man absagt bzw. zusagt. In Kulturen mit einem indirekten Kommunikationsstil ist dies nicht der Fall. Man formuliert Zusagen und insbesondere Absagen oder ablehnende Haltungen nicht explizit sondern in Form indirekter Andeutungen.
Vertrauensfalle: Wenn man gewohnt ist, dass Zusagen oder Absagen explizit formuliert werden, kann einem Folgendes passieren: Man gewinnt den Eindruck, ein Kollege oder Partner hat einem zunächst eine Zusage gegeben, dann diese Zusage aber nicht eingehalten. Genau hier droht die 'War-nichts-vereinbart!'-Vertrauensfalle:
Denn möglicherweise hat der Kollege bzw. Partner aus seiner Sicht gar keine Zusage gegeben – und daher natürlich auch keine Zusage gebrochen. Stattdessen hat er - indirekt (!) - zu verstehen gegeben, dass er in der fraglichen Sache nichts zusagen kann oder will. Wenn man einen direkten Kommunikationsstil gewohnt ist, dann ist man nicht darin geübt, solche indirekten Absagen herauszuhören. Es kann dann relativ leicht passieren, dass man die eigentliche Botschaft „überhört“ und glaubt, der andere habe etwas fest vereinbart. Wenn dieser sich dann nicht entsprechend verhält, erscheint das als klarer Bruch einer Zusage - und man gewinnt den Eindruck, der Partner sei nicht vertrauenswürdig – obwohl man eigentlich keinen Grund dafür hat.
Beispiele für die 'War-nichts-vereinbart!'-Vertrauensfalle finden sich in unserer Praxisbeispiel-Sammlung.
Die 'Chef-war-dagegen!'-Vertrauensfalle droht bei unterschiedlicher Auffassung darüber, wer innerhalb von Organisationen welche Entscheidungsbefugnisse hat. Das kann jedoch sehr unterschiedlich sein, je nach der kulturellen Ausprägung von Hierarchie ("Hierarchieverständnis").
Kulturunterschied: In Kulturen mit stärkeren Hierarchien verbleiben mehr Entscheidungskompetenzen beim Vorgesetzten bzw. bei höheren Hierarchieebenen. Mitarbeiter haben Entscheidungen von Vorgesetzten umzusetzen. In Kulturen mit schwächeren Hierarchien bekommen Mitarbeiter bzw. Angehörige niedrigerer Hierarchieebenen mehr Verantwortung und damit auch Entscheidungsbefugnisse übertragen.
Vertrauensfalle: In die 'Chef-war-dagegen!'-Vertrauensfalle kann man in Situationen geraten, in denen Mitarbeiter aus stärker hierarchisch orientierten Kulturen mit Kollegen oder Geschäftspartnern über Dinge verhandeln, die sie nicht letztendlich entscheiden können. Nach solchen Verhandlungen kann die Loyalität gegenüber den Verhandlungspartnern mit der Loyalität gegenüber dem Vorgesetzten in Konflikt geraten - und letztlich zählt dann in der Regel das Machtwort des Chefs.
Solche Verhandlungsergebnisse stehen also immer unter dem Vorbehalt, dass der Chef zustimmt. Tut er dies nicht, ist das Gesprächsergebnis hinfällig. Wenn der Geschäftspartner dies nicht weiß, dann gewinnt er leicht den Eindruck, der andere würde sich nicht an gemeinsame Vereinbarungen halten, sei unzuverlässig und nicht vertrauenswürdig.
Beispiele für die 'Chef-war-dagegen!'-Vertrauensfalle finden sich in unserer Praxisbeispiel-Sammlung.
In die 'War-nicht-zu-machen!'-Vertrauensfalle führen Kulturunterschiede im Verständnis der Gültigkeit von Regeln und Absprachen – und in Bezug auf die Frage, wie man mit Ausnahmen umgeht.
Kulturunterschied: In manchen Kulturen ist ein Regelverständnis vorherrschend, nachdem Regeln, Vorschriften, soziale Rollen oder Verpflichtungen etc. grundsätzlich situationsübergreifend bzw. ‘universell’ gültig sind. Man geht davon aus, dass Regeln grundsätzlich für alle einschlägigen Situationen Gültigkeit besitzen.
In anderen Kulturen geht man davon aus, dass die Gültigkeit von Regeln sich je nach Situation ändern kann. Man ist eher bereit, situative Ausnahmen zuzulassen oder auch einzufordern. Regeln haben in solchen Kulturen eine andere Funktion. Sie dienen als Orientierungspunkt, um situativ zu klären, ob die Regel einschlägig ist und von den Beteiligten akzeptiert wird – oder ob die Situationsumstände rechtfertigen, anders zu verfahren. Man nennt dies ein 'partikularistisches Regelverständnis'.
Vertrauensfalle: Der Kulturunterschied kann in die Vertrauensfalle führen, wenn ein Manager, der davon ausgeht, dass Regeln 'universell' gültig sind, bei einem Partner den Eindruck bekommt, er treffe erst Vereinbarungen und setzte sich dann leichtfertig darüber hinweg. Denn möglicherweise würde der Partner diesem Eindruck heftig widersprechen. Aus seiner Perspektive wurde keine Zusage oder Vereinbarung gebrochen, sondern die spezifischen Umstände hatten einen Grund für eine - außergewöhnliche aber gerechtfertigte - Ausnahme geliefert.
Beispiele für die 'War-nicht-zu-machen!'-Vertrauensfalle finden sich in unserer Praxisbeispiel-Sammlung.
In die 'Ich-regel-das-allein!'-Vertrauensfalle führen kulturelle Unterschiede im Hierarchieverständnis und darin, was 'Verantwortung übernehmen' heißt. Wie bei der 'Chef-hat-Vortritt!'-Vertrauenfalle handelt es sich um eine Falle im Rahmen der Chef-Mitarbeiter-Beziehung – in die Falle geraten können dabei jeweils die Vorgesetzten. Während die 'Chef-hat-Vortritt!'-Falle aber für Vorgesetze aus stärker hierarchisch orientierten Kulturen relevant ist, geraten in die 'Ich-regel-das-allein!'-Vertrauensfalle typischerweise Vorgesetze aus stärker hierarchisch orientierten Kulturen mit Mitarbeitern aus weniger hierarchisch orientierten Kulturen.
Kulturunterschied: In stärker hierarchisch orientierten Kulturen wird erwartet, dass Mitarbeiter Aufgaben und Anweisungen zwar in gewissem Maße eigenverantwortlich erledigen, aber dennoch den Vorgesetzten regelmäßig briefen und über Forschritte auf Stand halten.
In weniger hierarchieorientierten Kulturen übernehmen Mitarbeiter in umfassenderem Maße Eigenverantwortung. An den Vorgesetzten wendet man sich vor allem dann, wenn es ernsthafte Schwierigkeiten oder Probleme gibt.
Vertrauensfalle: Die Vertrauensfalle entsteht, wenn ein Vorgesetzter aus einer stärker hierarchisch orientierten Kultur erwartet, regelmäßig über den Fortgang von Projekten auf Stand gehalten zu werden, in dieser Erwartung aber enttäuscht wird. Aus der Perspektive eines weniger hierarchieorientierten Mitarbeiters ist dies überhaupt nicht nachvollziehbar: Er hat sich gerade umgekehrt bemüht zu zeigen, dass er selbständig arbeiten kann.
Beispiele für die 'Ich-regel-das-allein!'-Vertrauensfalle finden sich in unserer Praxisbeispiel-Sammlung.
Die 'Chef-hat-Vortritt!'-Vertrauensfalle ist gewissermaßen das Gegenstück zur 'Ich-regel-das-allein!'- Vertrauensfalle. Auch diese Falle entsteht durch Kulturunterschiede im Hierarchieverständnis. In die Falle geraten Führungskräfte aus weniger hierarchisch orientierten Kulturen (z.B. Deutschland, USA, Skandinavien) mit Mitarbeitern stärker hierarchisch orientierter Kulturen (z.B. China, Indien, Brasilien).
Kulturunterschied: In weniger hierarchischen Kulturen wird erwartetet, dass Mitarbeiter möglichst umfassend Aufgaben übernehmen und Anweisungen eigenverantwortlich umsetzen. Dazu gehört auch, dass sie den Arbeitsprozess selbständig organisieren und in diesem Rahmen Entscheidungen eigenständig treffen.
In stärker hierarchisch orientierten Kulturen ist dies nicht so. Viele Entscheidungen im Rahmen eines Arbeitsprozesses sind hier vom entsprechenden Vorgesetzten zu treffen. Sich diesen Entscheidungen zu widersetzen oder ihnen vorzugreifen, kann als Mangel an Respekt gegenüber der Hierarchie gewertet werden.
Vertrauensfalle: Ein weniger hierarchieorientierter Vorgesetzter kann von der Arbeit seiner Mitarbeiter enttäuscht sein, da er den Eindruck hat, diese würden seine Anweisungen nicht umsetzen und seien unfähig, selbständig zu arbeiten. Tatsächlich verhalten sich die Mitarbeiter aber aus Respekt vor dem Chef zurückhaltend und warten auf Voraussetzung für eigenes Tun auf entsprechende Rahmenvorgaben.
Beispiele für die 'Chef-hat-Vortritt!'-Vertrauensfalle finden sich in unserer Praxisbeispiel-Sammlung.
Die 'Werd-erstmal-konkret!'-Vertrauensfalle droht, wenn Manager unterschiedliche Gewohnheiten und Erwartungen in Bezug darauf haben, wie Anweisungen oder Abmachungen formuliert werden. Die Vertrauensfalle kann in der Vorgesetzten-Mitarbeiter-Kommunikation entstehen oder auch in der Kommunikation zwischen Projektpartnern.
Was die Beteiligten in die Vertrauensfalle führt, ist ein ein kultureller Unterschied in der 'Detaillierungspräferenz'.
Kulturunterschied: Im Vergleich von Kulturen gibt es unterschiedliche Präferenzen, wie detailliert Arbeitsaufträge, Absprachen oder Vorgehenspläne für Projekte formuliert werden. In manchen Kulturen formuliert man in solchen Fällen eher allgemeine Richtungsvorgaben und vermeidet eine detailliertere Fixierung des Vorgehens. Es ist dann Aufgabe (und auch Freiheit) des Mitarbeiters oder Projektpartners, mit den ersten Schritten der Umsetzung der Aufgabe diese weiter zu konkretisieren - und auch, diese Konkretisierungsschritte dann mit dem Vorgesetzten oder Partner zu validieren.
In anderen Kulturen erwarten Mitarbeiter oder Geschäftspartner vom anderen, dass entsprechende Konkretisierungen vorgegeben oder gemeinsam entwickelt werden, bevor sie mit der Umsetzung beginnen.
Vertrauensfalle: Die Vertraunsfalle entsteht folgendermaßen: Manager, die eine geringere Detaillierungspräferenz haben, können den Eindruck gewinnen, dass ein Mitarbeiter eine Anweisung nicht ausführt bzw. nicht ausführen kann oder ein Projektpartner einen vereinbarten Arbeitsschritt nicht umsetzt – obwohl der Mitarbeiter (vor dem Hintergrund seiner kulturell größeren Detaillierungspräferenz) gar nicht davon ausgegangen ist, dass überhaupt eine Anweisung oder ein nächster Arbeitsschritt formuliert wurde.
Beispiele für die 'Werd-erstmal-konkret!'-Vertrauensfalle finden sich in unserer Praxisbeispiel-Sammlung.
In die 'Konsens-hat-Vorrang!'-Vertrauensfalle führen kulturelle Unterschiede in Bezug auf Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse in Gruppen bzw. Organisationen.
Kulturunterschied: In einigen Kulturen ist es bei der Abstimmung von Projekten, Produkten oder allgemein von Entscheidungen von höchster Wichtigkeit, dass die betroffenen Manager und Abteilungen durch einen offiziellen Konsens zum Ergebnis kommen. Daher werden frühzeitig und oft in Form eines festgelegten Prozesses alle betroffenen bzw. relevanten Stellen im Unternehmen einbezogen. Dabei kann es wichtiger sein, überhaupt den offiziellen Konsens herbeizuführen, als die Qualität der Entscheidung zu optimieren. Denn andernfalls könnte die Entscheidung unabhängig vom Ergebnis in Frage stehen und ihre Umsetzung unwahrscheinlich werden. Anerkennenswert ist, einen solchen offiziellen internen Konsens zu organisieren.
Andere Kulturen sind in stärkerem Maße individualistisch und weniger konsensorientiert. Es wird eher versucht, mögliche Produkt- oder Ergebnisoptimierungen gegen einen umfassenden internen Konsens 'durchzuboxen'. Falls dies geschieht, sind etwaige negative Konsequenzen weniger nachhaltig. Es gilt als anerkennenswert, einen eigenen Vorschlag, von dem man überzeugt ist, durchzusetzen.
Vertrauensanalyse: Warum ist dieser Kulturunterschied vertrauenskritisch? Wenn man den Managementstil einer individualistischeren Kultur gewohnt ist, kann man den Eindruck bekommen, ein Mitarbeiter würde schlechte Arbeit abliefern oder sich nicht genügend gegenüber Kollegen oder anderen Abteilungen durchsetzen. Sowohl 'Qualitativ hochwertige Arbeit machen' als auch 'Gegen Widerstand zu seiner Überzeugung stehen' sind Vertrauensfaktoren im Management.
Vertrauensfalle: Es ist ein Aspekt von Vertrauen, der in Frage steht, wenn man sich nicht auf einen Mitarbeiter verlassen kann, gute Projekte stark zu präsentieren und sie ausreichend gegenüber Kollegen, Abteilungsleitern oder relevanten Personenkreisen zu verteidigen. Doch dieser Eindruck kann in einem konsensorientierten Unternehmenskontext unzutreffend sein. Denn möglicherweise hat der Mitarbeiter in einem solchen Fall aus der Perspektive seiner Kultur sehr wohl ein gutes Ergebnis erzielt: nämlich einen internen Konsens organisiert, ohne dabei zu große Zugeständnisse zu machen.
Beispiele für die 'Konsens-hat-Vorrang!'-Vertrauensfalle finden sich in unserer Praxisbeispiel-Sammlung.
In die 'Offenheit-verletzt!'-Vertrauensfalle führen Unterschiede in der Direktheit des Kommunikationsstils, wie sie zwischen der deutschen Kultur und den meisten asiatischen aber auch vielen anderen Kulturen bestehen. Aufgrund des sehr direkten deutschen Kommunikationsstils stellt dies insbesondere für deutsche Manager eine große Herausforderung dar und führt immer wieder in typische Schwierigkeiten.
Kulturunterschied: In direkten Kulturen werden Arbeitsanweisungen, Bitten aber auch Kritik, Widerspruch und Konfliktpunkte direkt und explizit ausgesprochen. In indirekten Kulturen werden solche Punkte – wenn sie überhaupt angesprochen werden – sehr indirekt, sehr diplomatisch, nur in Form von Andeutungen kommuniziert.
Vertrauensfalle: Wenn man aus der Gewohnheit eines direkten Kommunikationsstils heraus einen Konflikt proaktiv offen anspricht und erwartet, dass der andere ebenfalls offen über den Konflikt spricht, kann man enttäuscht werden. Doch ein Ausweichen des Gesprächspartners ist nicht unbedingt als Ausflucht oder mangelnde Standfestigkeit zu interpretieren, sondern möglicherweise auf einen andersartigen Umgang mit Konflikten zurückzuführen. Der Gesprächspartner spricht möglicherweise die kritischen Punkte mit Absicht nicht direkt an, um sein 'Gesicht zu wahren' und 'mit Würde' aus dem Konflikt herauszukommen. Zu der Vertrauensfalle beitragen kann zudem, dass man aus der Gewohnheit eines direkten Kommunikationsstils heraus auch leicht indirekte Entschuldigungen oder Konfliktlösungsvorschläge des Partners 'überhören' kann.
Beispiele für die 'Offenheit-verletzt!'-Vertrauensfalle finden sich in unserer Praxisbeispiel-Sammlung.
Die 'Probleme-im-Griff!'-Vertrauensfalle entsteht durch einen Kulturunterschied im Hierarchieverständnis und eine kulturell unterschiedliche Bedeutung von gesichtswahrender Kommunikation bzw. 'Facework'.
Die deutsche Perspektive: Deutsche Manager können die große Schwierigkeit, die in manchen kulturellen Kontexten besteht, Fehler aktiv gegenüber Vorgesetzten einzugestehen, nicht nachvollziehen. Sie nehmen wahr, dass ein Mitarbeiter sie nicht über ein kritisches Problem informiert oder dass er sich weigert, eigene Fehler zuzugeben und zu ihnen zu stehen - und stellen daher ihr Vertrauen in diesen Mitarbeiter infrage. 'Bei kritischen Problemen informieren' und 'Fehler/Schwächen eingestehen' sind wichtige Vertrauensfaktoren.
Die andere Perspektive: Aus der Perspektive der anderen Kultur zählt es mehr, dass ein Gesichtsverlust vermieden wird, als dass ein Problem rechtzeitig kommuniziert wird. In einer eher hierarchisch geprägten Kultur versucht man tendenziell, dem Vorgesetzten zu zeigen, dass alles bestens läuft und man seine Sachen im Griff hat. Ein Thematisieren von Problemen und insbesondere das Eingeständnis eigener Fehler – gerade gegenüber dem Chef – bedeutet in diesen Kulturen eine Gesichtsbedrohung, die man - wenn irgend möglich - vermeiden möchte. Es wird daher auch als völlig nachvollziehbar angesehen, dass ein Mitarbeiter zunächst versucht, ein Problem selbst zu lösen bevor er es reportet.
Die Vertrauensfalle: Aus der Perspektive einer Kultur mit geringerer Hierarchieorientierung und geringerer Facework-Orientierung (z.B. deutscher Unternehmenskontext) kann es Vertrauen beschädigen, wenn ein Mitarbeiter bei Problemen nicht rechtzeitig informiert oder Fehler nicht eingesteht. Wenn dieser Mitarbeiter sich allerdings an einem anderen kulturellen Schema orientiert (Facework, Hierarchie), ist man möglicherweise in die 'Probleme-im-Griff!'-Vertrauensfalle geraten.
Beispiele für die 'Probleme-im-Griff!'-Vertrauensfalle finden sich in unserer Praxisbeispiel-Sammlung.
Kulturunterschied: Man unterscheidet Kulturen im Hinblick darauf, wie wichtig es ist, sich neben bzw. vor der aufgabenbezogenen Zusammenarbeit gezielt um die Entwicklung einer persönlichen Beziehung zu bemühen. Zwar sind Beziehungsaufbau/-pflege und Umgangsformen in allen Kulturen wichtig für den Aufbau vertrauensvoller Geschäftsbeziehungen. Aber wie wichtig persönliche Beziehungen sind und was es genau heißt, eine gute Beziehung aufzubauen und zu pflegen, das ist im Kulturvergleich unterschiedlich.
Vertrauensfalle: Wenn Manager aus einer Kultur, in der eine intensive und regelmäßige Beziehungspflege für die berufliche Zusammenarbeit sehr wichtig ist, mit Kollegen oder Partnern zusammenarbeiten, die eine eher sachliche und auf das Geschäftliche bezogene Herangehensweise gewohnt sind, droht die ‘Treffen-nicht-nötig!’-Vertrauensfalle: Die eine Seite schlägt aufgrund nachvollziehbarer Terminkollisionen eine Gelegenheit für ein persönliches Treffen aus, was die andere Seite als Respektlosigkeit und offensives Desinteresse an der Geschäftsbeziehung interpretiert. Sie schließen, dass der Geschäftspartner nicht an einer ernsthaften Zusammenarbeit interessiert ist, denn sonst würde er ein Treffen möglich machen, und eine bestehende Vertrauensbeziehung kann Schaden nehmen.
Aus der Perspektive eines deutschen Geschäftspartners ist dies oft nicht nachvollziehbar: Wenn bestehende Verpflichtungen ein mögliches Treffen erschweren und zudem keine akute inhaltliche Notwendigkeit für ein Treffen besteht, ist eine Absage nachvollziehbar und nicht grundsätzlich problematisch.
Beispiele für die 'Treffen-nicht-nötig!'-Vertrauensfalle finden sich in unserer Praxisbeispiel-Sammlung.
Kulturunterschiede: Bei der 'Flexibel-sein-zählt!'-Vertrauensfalle kommen zwei Kulturunterschiede zusammen: ein Unterschied im Zeitmanagement und in der Arbeitsorganisation und eine unterschiedliche Bedeutung von Beziehungsaufbau und -pflege.
Kulturen unterscheiden sich zum einen in der Art und Weise, wie man mit Zeitabläufen und Planungen umgeht. In manchen Kulturen gehört es zum Bild eines guten Managers, dass man seine Arbeit im Rahmen eines gut organisierten - machmal auch relativ eng getakteten - Tagesablaufs erledigt. Dazu gehört zum einen eine gute Planung und zum anderen Maßnahmen, um diese auch möglichst einhalten zu können. In anderen Kulturen geht man in zeitlicher Hinsicht offener an den Arbeitstag heran und ist eher bereit, recht spontan zwischen Aufgaben zu wechseln oder ungeplante Termine wahrzunehmen.
Ein solcher flexiblerer Umgang mit Planungen fällt in vielen Kulturen mit einer stärkeren Beziehungsorientierung zusammen: Beziehungsorientierung heißt, dass man bei jedem geschäftlichen Kontakt neben der Klärung von Sachfragen auch stets Wert auf die Kommunikation auf persönlicher Ebene legt, um zu signalisieren, dass einem die Beziehung wichtig ist.
Vertrauensfalle: Wird ein Manager, der sich am organisationskulturellen Ideal einer guten Arbeitsorganisation orientiert, bei einem verabredeten Termin vom Kollegen oder Partner ungebührlich lange warten gelassen, erscheint ihm dies als respektloses Verhalten. Der Termin ist verabredet, und er hat nicht beliebig Zeit zu warten.
Im internationalen Management droht hier jedoch die 'Flexibel-sein-zählt!'-Vertrauensfalle. Vielleicht ist der andere einen anderen Umgang mit Zeit und Arbeitsorganisation gewohnt. Folgt er den kulturellen Standards einer hohen Beziehungsorientierung folgt, hat er möglicherweise einen aus seiner Sicht akzeptablen Grund: aufgrund von 'Notwendigkeiten der Beziehungspflege' hat sich ein vorausgehender Termin verlängert - oder ein zusätzlicher Termin ergeben. Dies kann natürlich dazu führen, dass man zu nachfolgenden Terminen später erscheint, aber das ist in einem zeitlich flexiblen Umfeld selten ein Problem. Die Verpflichtung zur 'Beziehungspflege' zählt hier häufig mehr als ein verabredeter Termin.
Beispiele für die 'Flexibel-sein-zählt!'-Vertrauensfalle finden sich in unserer Praxisbeispiel-Sammlung.
In die 'Konstruktive-Kritik!'-Vertrauensfalle führen Unterschiede in der Direktheit des Kommunikationsstils und Unterschiede hinsichtlich der Wichtigkeit von gesichtswahrender Kommunikation ('Facework'). Es handelt sich um eine für deutsche Manager sehr wichtige Vertrauensfalle, die sowohl zwischen Führungskräften und Mitarbeitern entstehen kann als auch auf derselben Hierarchieebene zwischen Kollegen oder Geschäftspartnern.
Kulturunterschied: Manager aus indirekten Kulturen interpretieren es als sehr verletzend und 'gesichtsbedrohend', wenn man Kritik explizit formuliert. Wenn in solchen Kulturen Kritik geübt werden muss, dann geschieht dies auf möglichst indirekte Weise, und man bemüht sich, neben der Kritik gleichzeitig auch positive Aspekte des Gesprächspartners hervorzuheben, d.h. Kritik mit Lob zu verbinden.
Vertrauensfalle: Für Manager aus indirekten Kulturen kann es Vertrauen in den anderen beschädigen, wenn dieser sie offen kritisiert. Dabei drohen sie, in die 'Konstruktive-Kritik!'-Vertrauensfalle zu geraten. Denn sie sehen nicht, dass in einem direkten Kommunikationskontext explizite Kritik nicht unbedingt verletztend wirkt, sondern durchaus positiv im Sinne von konstruktivem Feedback aufgefasst werden kann. Tatsächlich sehen Manager direkter Kulturen aber sogar teilweise eine Führungs- oder partnerschaftliche Verpflichtung, Kollegen oder Partnern durch kritisch-konstruktive Rückmeldungen zu unterstützen.
Beispiele für die 'Konstruktive-Kritik!'-Vertrauensfalle finden sich in unserer Praxisbeispiel-Sammlung.