Im internationalen Management drohen Vertrauensfallen: Aufgrund kultureller Unterschiede bleibt man misstrauisch, Vertrauen entwickelt sich viel zu langsam oder man verliert es gar – obwohl es eigentlich keinen Grund gibt, nicht zu vertrauen.
Doch wie man solche Fallen vermeiden und die Vertrauensentwicklung fördern kann, lässt sich lernen. Dieses Buch ...
„Herr Meister (leitender Angestellter, französische Geschäftsbank) berichtet über einen französischen Kollegen, mit dem ein wichtiger Kundentermin anstand: „Wir hatten eine gemeinsame Vorgehensweise für das Meeting vereinbart. Und in diesem Meeting hält diese Person sich nicht daran! Zum eigenen Vorteil! Und zu meinem Nachteil. Und diese Person, mit der werde ich nie wieder ...“
Warum kann der Chef eines schwäbischen Mittelstandsunternehmens routiniert und effizient kommunizieren, verhandeln, Sitzungen leiten? Ein wichtiger Grund dafür ist, dass er in der Zusammenarbeit mit seinen schwäbischen Kollegen und Geschäftspartnern über unglaublich viele Dinge nicht mehr nachdenken muss.
Sprache und Dialekt, Umgangsformen, Hintergrundwissen, Projektwissen, Kenntnisse der Firma bzw. der Branche und ihrer Geschichte etc. – all das ist Teil einer gemeinsamen Kultur. Wenn in der internationalen Managementforschung von 'Kultur' gesprochen wird, geht es um solche Gemeinsamkeiten des Wissens, der Konventionen und Werte, die innerhalb einer Gruppe bestehen. Sie erleichtern die Zusammenarbeit, da man – ohne darüber nachzudenken – davon ausgeht, dass sie bestehen.
Der Mechanismus der kulturellen Prägung, der uns eine große Handlungseffizienz in der Zusammenarbeit und im Zusammenleben mit anderen ermöglicht, schafft dies gerade dadurch, dass er ganz viele Aspekte der Wahrnehmung und des Handelns ins Unbewusste verschiebt. Praktisch bedeutet dies, dass wir unsere Erfahrungen stets durch die 'Linse' unserer Kultur und Persönlichkeit betrachten, wie es Harvard-Psychologe Daniel Gilbert ausdrückt (Gilbert 2008: 95). Und „wie jede Linse beeinflusst sie das, was wir wahrnehmen.“ Die Erfahrungen, die wir in unserem kulturellen Kontext gemacht haben, prägen uns, so dass wir eine bestimmte Prägung haben und keine andere. Sie schärfen unsere Linse, so dass wir etwas Bestimmtes sehen: Sobald wir lesen gelernt haben, erkennen wir den Sinn eines Textes, anstatt einen Haufen seltsamer Schnörkel auf Papier wahrzunehmen.
Auch Manager blicken auf ihre Kollegen oder Geschäftspartner stets durch 'kulturelle Kontaktlinsen'. Wenn sie sich ein Urteil bilden, ob sie dem anderen Vertrauen schenken können, folgen sie zunächst einmal unweigerlich den Bewertungsschemata ihrer Kultur – weshalb der Eindruck, dass man vertrauen kann oder dass man nicht vertrauen sollte, im internationalen Management nicht immer so zutreffend ist, wie es vielleicht zunächst den Anschein hat.
Wer kurzsichtig ist, vergisst in der Regel, dass er eine Brille trägt, die ihn scharf sehen lässt. Dass er normalerweise diese Brille trägt, wird ihm dann bewusst, wenn er sie einmal nicht zur Hand hat. Was unsere kulturellen Linsen angeht, ist dieser Effekt allerdings viel stärker. Diese Linsen sind nämlich „nicht wie eine Brille, die wir auf den Nachttisch legen können, wenn uns danach ist. Sie gleichen vielmehr Kontaktlinsen, die für immer mit einem Superkleber an unseren Augäpfeln befestigt sind“ (Gilbert 2008: 95).
Die kulturellen Kontaktlinsen des Managers führen direkt in kulturelle Vertrauensfallen.