Im internationalen Management drohen Vertrauensfallen: Aufgrund kultureller Unterschiede bleibt man misstrauisch, Vertrauen entwickelt sich viel zu langsam oder man verliert es gar – obwohl es eigentlich keinen Grund gibt, nicht zu vertrauen.
Doch wie man solche Fallen vermeiden und die Vertrauensentwicklung fördern kann, lässt sich lernen. Dieses Buch ...
„Herr Meister (leitender Angestellter, französische Geschäftsbank) berichtet über einen französischen Kollegen, mit dem ein wichtiger Kundentermin anstand: „Wir hatten eine gemeinsame Vorgehensweise für das Meeting vereinbart. Und in diesem Meeting hält diese Person sich nicht daran! Zum eigenen Vorteil! Und zu meinem Nachteil. Und diese Person, mit der werde ich nie wieder ...“
Die War-nichts-vereinbart!-Vertrauensfalle entsteht durch einen Unterschied in der Direktheit des Kommunikationsstils. Dieser Kulturunterschied kann fälschlicherweise den Eindruck entstehen lassen, der andere habe seine Zusage nicht eingehalten – bzw. habe nicht darüber informiert, dass er eine Zusage nicht einhalten kann.
Wenn man die 'War-nichts-vereinbart!'-Vertrauensfalle kennt, hat man verschiedene Möglichkeiten, ihr zu entkommen. Beide Beteiligten können etwas zur Vorbeugung oder Auflösung der Vertrauensfalle tun. Die von uns dargestellten Strategien folgen alle dem Prinzip, dass man sich entweder an die kulturellen Gewohnheiten der fremden Kultur anpasst oder aber einen dritten Weg, eine Synthese aus den eigenen und den fremden Standards, findet (vgl. 'Interkulturelle Strategien' im Glossar Vertrauensfallen).
Strategien aus Sicht eines direkten Kommunikationsstils |
Strategien aus Sicht eines indirekten Kommunikationsstils |
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z.B. Deutsche mit Argentiniern oder auch mit Chinesen oder Franzosen |
z.B. Argentinier oder auch Chinesen oder Franzosen mit Deutschen |
Sensibilität für eine indirekte Ausdrucksweise von Ablehnung, Kritik oder Widerspruch entwickeln („Zwischen-den-Zeilen-Lesen“ lernen). Um den tatsächlichen Inhalt des Gesagten zu entschlüsseln, ggf. mehrfach vorsichtig rückfragen. Sofern möglich, eine Einschätzung Dritter einholen – idealerweise von weiteren Angehörigen der fraglichen Kultur. |
Direktere Formulierungen verwenden. Aber Vorsicht: trotzdem höflich bleiben, d.h. nicht zu direkt werden.* Sich vorsichtig rückversichern, dass eine ablehnende Position auf der anderen Seite überhaupt als solche verstanden wurde. Direktere Formulierungen von Ablehnung, Kritik oder Widerspruch nicht als unhöflich oder aggressiv verurteilen.** |
* Achtung: Es kommt vor, dass Angehörige indirekter Kulturen in vermeintlicher Anpassung an den Kommunikationsstil ihrer Geschäftspartner alles sehr explizit und letztlich viel zu direkt kommunizieren – so dass sie sehr plump und unhöflich wirken. Auch bei einem direkten Kommunikationsstil gilt: Widerspruch, Kritik oder Bitten formuliert man höflich und eher indirekt – aber eben nicht so indirekt wie anderswo. Das angemessene Maß an Direktheit für eine Kommunikationssituation zu finden, ist in der interkulturellen Zusammenarbeit sehr schwierig und erfordert einiges an Erfahrung und sprachlicher Sensibilität. Faustregel: So direkt, dass einen der Gesprächspartner versteht, und so indirekt, dass man angemessen höflich ist.
** Der Kulturunterschied der Direktheit des Kommunikationsstils kann zu einem weiteren kulturellen Missverständnis führen: Wenn jemand einen indirekten Kommunikationsstil gewohnt ist (z.B. französische oder chinesische Manager), können direkte Formulierungen (z.B. durch deutsche Manager) unbeabsichtigterweise kalt, unhöflich oder sogar aggressiv wirken – und die Partner auf eine grundsätzlich ablehnende Haltung des Gesprächspartners schließen lassen (vgl. Vertrauensfaktor Kritik / Widerspruch höflich-indirekt äußern).